Dokument-Nr. 22546
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Amtsgericht München Urteil28.01.2016
Patient darf bei Absage eines OP-Termins nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet werdenVon der Klinik geforderte "Stornogebühr" würde zu erwartenden Schaden weit übersteigen
Das Amtsgericht München hat entschieden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Wahlleistungsvertrag mit einer Klinik, wonach der Patient zum Schadensersatz verpflichtet wird, wenn er einen Operationstermin absagt, in der Regel unwirksam sind.
Im zugrunde liegenden Streitfall schloss die beklagte Münchnerin am 19. Juni 2015 mit einer Schönheitsklinik in München eine Wahlleistungsvereinbarung über eine Magenballonbehandlung und vereinbarte einen Operationstermin zur Einsetzung des Ballons für den 31. Juli 2015.
Die Vereinbarung enthält unter anderen folgende Geschäftsbedingungen:
"Bei Absage oder Verschiebung eines durch den Patienten zugesagten Eingriffstermins erhebt die (Name der Klinik) stets eine Verwaltungsgebühr von 60 Euro brutto. [...]
Bei Abwesenheit des Patienten am Eingriffstag oder einer kurzfristigen Absage des Eingriffstermins erhebt die (Name der Klinik) darüber hinaus eine Stornogebühr. [...] Sie beträgt bei Absage
- weniger als 14 Tage vor dem Eingriff 40 %
- innerhalb von 7 Tagen vor dem Eingriff 60 %
- innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff - oder -
- bei Abwesenheit am Eingriffstag 100 %
des Gesamtrechnungsbetrags brutto."
Klinik stellt wegen Absage des Termins 60 % der Behandlungsgebühr in Rechnung
Am 29. Juli 2015 sagte die Münchnerin den Behandlungstermin zunächst telefonisch und dann schriftlich ab. Die Schönheitsklinik stellte Ihr eine Rechnung über 60 Prozent der Behandlungsgebühren, insgesamt 1.494 Euro. Die Beklagte zahlte nicht. Daraufhin erhob die Abrechnungsfirma der Schönheitsklinik Klage.
AG: Von der Klinik angegebener Schaden ist völlig realitätsfern
Das Amtsgericht München wies die Klage jedoch ab und erklärte die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schönheitsklinik für unwirksam. Die von der Klinik geforderte "Stornogebühr" übersteige den normalerweise zu erwartenden Schaden und sei unangemessen hoch. Denn der Patient müsse für den Fall einer Absage innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff nicht nur 100 Prozent des Bruttobetrags vergüten sondern auch noch eine Verwaltungsgebühr von 60 Euro zahlen. Der Patient müsse demnach bei kurzfristiger Absage des Eingriffs mehr bezahlen als er bei Durchführung des Eingriffs zu leisten hätte. Ein derart hoher Schaden sei nach Auffassung des Gerichts völlig realitätsfern und offenkundig einseitig zugunsten des Verwenders festgelegt. Die Regelung berücksichtige außerdem nicht, dass die Klinik bei Absage eines Operationstermins sich Aufwendungen wie Medikamente und Verbrauchsmaterialen, Strom- und Reinigungskosten erspare, die zugunsten des Patienten abzuziehen seien.
Wirtschaftliche Interesse des Behandlers muss hinter schützenswertes Interesse des Patienten auf körperliche Unversehrtheit zurücktreten
Die Klausel benachteilige zudem den Patienten unangemessen, so das Gericht. Da die Inanspruchnahme einer Heilbehandlung ein gesteigertes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patient voraussetze, sei allgemein anerkannt, dass Letzterer den Behandlungsvertrag jederzeit gemäß §§ 621 Nr. 5, 627 BGB fristlos kündigen kann, ohne hierfür sachliche (oder gar wichtige) Gründe angeben zu müssen, so das Gericht weiter. Der Patient müsse jederzeit die Möglichkeit haben, frei darüber zu entscheiden, ob er einen Eingriff in den Körper oder seine Gesundheit zulassen will. Das wirtschaftliche Interesse des Behandlers müsse gegenüber dem schützenswerteren Interesse des Patienten auf körperliche Unversehrtheit zurücktreten, hieß es in der Urteilsbegründung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.04.2016
Quelle: Amtsgericht München/ra-online
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