03.12.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht München Urteil05.05.2011

AG München zu Kündi­gungs­fristen für Partner­schafts­ver­mitt­lungen im InternetOnline-Partner­ver­mittlung nicht mit klassischen Partner­schafts­ver­mitt­lungen vergleichbar

Klassische Partner­schafts­ver­mitt­lungen werden von der Rechtsprechung auf Grund des persönlichen Kontakts zwischen Vermittler und Kunden und der daraus folgenden Diskretion und des Taktgefühls als so genannte Dienste höherer Art eingestuft mit der Folge, dass der Vertrag jederzeit gekündigt werden kann. Dies gilt nicht für Online­platt­formen. Hier gelten die vereinbarten Kündi­gungs­fristen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München hervor.

Im zugrunde liegenden Fall registrierte sich ein Münchner Anfang 2010 bei einer Internetagentur, die ihren Nutzern Hilfestellung bei der Suche nach einem Lebenspartner anbietet. Er wählte eine dreimonatige Mitgliedschaft, die sich automatisch um sechs Monate verlängert, sollte sie nicht vier Wochen vor Ablauf der drei Monate gekündigt werden.

Internetnutzer sieht in Mitgliedschaft bei Onlineplattform jederzeit kündbares Dienst­ver­hältnis mit besonderer Vertrau­ens­stellung

Anschließend nutzte er die Onlineplattform, kündigte dann aber doch kurz vor Ablauf der drei Monate. Die Inter­net­be­treiberin akzeptierte die Kündigung aber nur zum Ablauf der weiteren sechs Monate und verlangte noch 299 Euro von ihrem Kunden. Dieser weigerte sich zu zahlen. Schließlich handele es sich hier um eine Partnerschaftsvermittlung und damit um ein Dienst­ver­hältnis mit besonderer Vertrau­ens­stellung. Dieses sei stets kündbar.

Zwischen Agentur und Mitglied des Portals liegt Dienstvertrag vor

Die Internetagentur erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab der Agentur Recht. Die Klägerin habe sich verpflichtet, für den Beklagten ein compu­ter­ge­steuertes Persön­lich­keits­profil zu erstellen und dem Beklagten die Möglichkeit eröffnet, mit anderen Mitgliedern Kontakt aufzunehmen. Damit liege ein Dienstvertrag vor.

Allgemeine Geschäfts­be­zie­hungen wurden bei Erwerb der Mitgliedschaft anerkannt

Nach Ablauf der Vertrags­laufzeit habe sich die Mitgliedschaft automatisch um sechs Monate verlängert, da sie nicht vier Wochen vor Ablauf gekündigt worden sei. Da es technisch nicht möglich sei, die Mitgliedschaft zu erwerben, ohne vorher die allgemeinen Geschäfts­be­zie­hungen zu akzeptieren, seien diese auch Vertrags­be­standteil geworden.

Gericht verneint Möglichkeit des außer­or­dent­lichen Kündi­gungs­rechts für Partner­ver­mittlung über das Internet

Dem Beklagten stehe auch kein außer­or­dent­liches Kündigungsrecht zu. Es sei zutreffend, dass klassische Partner­ver­mitt­lungen, also solche, bei denen ein Partner­schafts­ver­mittler auf Grundlage eines persönlichen Kundenkontakts ein Profil erstelle und im Anschluss Partner­schafts­vor­schläge unterbreite, nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung als so genannte Dienste höherer Art eingestuft werden. Dies werde damit begründet, dass die Partnersuche im Wege eines persönlichen Kontakts zwischen dem Vermittler und dem Kunden zustande komme, in dessen Rahmen äußerste Diskretion und ein hohes Maß an Taktgefühl verlangt werde. Diese Rechtsprechung sei aber nur auf den klassischen Fall der Partner­schafts­ver­mittlung anzuwenden und nicht auf den Fall einer Onlineplattform. Bei dieser Form der Partner­schafts­ver­mittlung fehle es gerade an dem besonderen Maß an persönlichem Vertrauen zwischen den Vertrags­partnern.

Vollautomatisch generierte Partner­vor­schläge können nicht als Dienste höherer Art wie bei der klassischen Partner­ver­mittlung eingestuft werden

Zudem halte bei einer Onlineplattform der Kunde überhaupt keinen persönlichen Kontakt zu den Beratern und kenne die Mitglieder des Vertrags­partners nicht persönlich. Die Leistungen von Online­platt­formen basierten auf mathematischen Algorithmen und würden vollautomatisch geschehen. Am „anderen Ende“ sitze eben kein Berater. Deshalb sei diese Situation auch nicht vergleichbar mit den klassischen Anwen­dungs­fällen der Dienste höherer Art (z.B. einer Beziehung zwischen Arzt und Patient oder Anwalt und Mandant).

Exkurs:

Nach § 627 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist bei einem Dienst­ver­hältnis, das kein Arbeits­ver­hältnis ist, die Kündigung fristlos und ohne wichtigen Grund (also jederzeit) zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienst­ver­hältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Grund für das außer­or­dentliche Kündigungsrecht ist gerade das persönliche Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen den Vertrags­partnern. Bei einer Störung dieses Vertrauens muss es den Vertragpartner möglich sein, sich zu lösen. Allerdings darf der zur Dienstleistung Verpflichtete im Regelfall nur so kündigen, dass es seinem Partner möglich gemacht wird, sich die Dienste anderweitig zu beschaffen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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