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Amtsgericht München Urteil14.07.2005
Keine Amtsaufklärungspflicht im Zivilprozess: zu den Folgen einer falschen GewerberegistereintragungRecht haben, heißt nicht Recht bekommen
Im Februar 2005 ging eine Klage beim Amtsgericht München ein, in dem eine Münchnerin € 230,72 Schadensersatz aus einem Textil-Reinigungsschaden einklagte.
Die Klägerin hatte im Juli 2003 bei einer Reinigung einen neu angeschafften Blazer zur Reinigung gegeben. Bei der Abholung zeigten sich unter anderem im Schulterbereich Flecken und Grauschleier. Auch ein Nachbesserungsversuch blieb erfolglos. Die Klägerin wollte daher den Zeitwert des Blazers von € 230,72 ersetzt erhalten. Der von ihr beauftragte Anwalt ermittelte über das Gewerberegister den Inhaber der Reinigung und kam so auf die Beklagte, die im Gewerberegister unter ihrer aktuellen Anschrift als Inhaberin der Reinigung geführt wurde. Da ein außergerichtliches Anschreiben erfolglos blieb, kam der Fall vor das Amtsgericht München.
Der zuständige Richter stellte die Klageschrift der Beklagten zu und forderte diese innerhalb von 14 Tagen zur Stellungnahme auf. Innerhalb der Frist ging ein Schreiben der Beklagten ein, in dem sie mitteilte, sie habe die Reinigung bereits im Oktober 1997 veräußert. Lediglich aufgrund eines Fehlers im Gewerberegister stehe sie noch als Inhaberin dort. Weiter legte sie eine Rechnung über DM 65.000,00 vor, die sie dem angeblichen Erwerber für die Reinigungsmaschinen und das Inventar an der Reinigung gestellt hatte.
Diesen Schriftsatz der Beklagten stellte der Richter nunmehr, der Prozessordnung gemäß, dem Anwalt der Klägerin zu und bat diesen um Stellungnahme hierzu. Der Anwalt der Klägerin bestritt die Veräußerung und verwies auf den aktuellen Gewerberegister-Auszug aus dem Jahr 2004, der „eine andere Sprache“ spreche. Es sei kaum anzunehmen, dass die Beklagte über sieben Jahre unbemerkt im Gewerberegister verblieben sei, ohne Betriebsinhaber zu sein. Diesen Schriftsatz stellte der Richter wiederum der Beklagten zu und wies die Beklagte dabei ausdrücklich darauf hin, dass sie beweisen müsse, nicht mehr Inhaberin der Reinigung zu sein. Bisher sei dies nicht nachgewiesen. Wörtlich schrieb der Richter an die Beklagten: „Sie müssen daher Zeugen zu dieser Behauptung anbieten oder Urkunden vorlegen, aus denen sich die Übergabe ergibt.“
Wieder setzte der Richter eine Frist von zwei Wochen für die Beklagte zur Stellungnahme. Innerhalb dieser Frist kam keine Antwort mehr. Daraufhin erging am 14.07.2005 ein Endurteil, mit dem die Beklagte zur Zahlung von € 230,72 verurteilt wurde. In den Entscheidungsgründen führte der Richter unter anderem aus: „Trotz eindeutigen Hinweis des Gerichts, dass Sie den Verkauf nachweisen müssen, insbesondere Ihr bisheriger Vortrag nicht ausreicht, ist kein Nachweis erfolgt.“
Da die Berufung gegen dieses Urteil nicht zugelassen wurde, ist die Entscheidung rechtskräftig.
Nach dem das Urteil zugestellt wurde meldete sich sowohl die Beklagte als auch ihr Ehemann und beschwerten sich bitterlich bei Gericht, dass ein „Fehlurteil“ ergangen sei. Das Urteil möge geändert werden. Der Richter wies das Ehepaar daraufhin, dass er nicht habe anders entscheiden können, da es dem Zivilgericht untersagt sei, sich selbst Zeugen zu suchen. Es dürfe vielmehr nur Zeugen vernehmen, die von den Parteien ausdrücklich angeboten würden. Eine Amtsaufklärungspflicht des Zivilrichters sehe das Gesetz nicht vor. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei auch nicht möglich, da eine spätere Benennung von Zeugen nach dem Gesetz nicht zulässig sei.
Aus diesem Fall, dessen gerichtlicher Ablauf in jeder Hinsicht der Prozessordnung entspricht, kann zweierlei entnommen werden: Zum einen ist jede Partei in einem Zivilprozess für „ihr Glück“ selbst verantwortlich; sie hat die ihr günstigen Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls auch unter Beweis zu stellen und letztlich zu beweisen. Das Gericht wird von Amts wegen keine Hilfestellung leisten, da dies von Gesetzes wegen verboten ist. Völlig anders im Strafprozess, in der die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts eine der Säulen des Prozessrechts darstellt. Zum anderen lässt sich aus dem Fall lernen, dass man auf ausdrückliche Hinweise eines Richters in der gesetzten Frist reagieren sollte; andern-falls besteht eine hohe Gefahr des Prozessverlustes.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.09.2005
Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 05.09.2005
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