21.11.2024
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Dokument-Nr. 32706

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Amtsgericht München Urteil18.03.2022

"Keine Werbung" gilt auch auf der Brief­kas­te­n­anlageBei Zuwider­hand­lungen droht Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro

Das Amtsgericht München hat einem Umzugs­un­ter­nehmen untersagt, Werbematerial auf der Brief­kas­te­n­anlage oder vor dem Hauseingang des von dem Kläger bewohnten Mehrfa­mi­li­en­hauses abzulegen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR angedroht, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.

Der Münchner Kläger fand an der Brief­kas­te­n­anlage zwei Werbeflyer des Umzugs­un­ter­nehmens vor, die in eine Ritze zwischen einem Briefkasten und einem darunter liegenden Spalt der Brief­kas­te­n­anlage geklemmt waren. Sämtliche Briefkästen der Anlage waren mit dem Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen“ gekennzeichnet. Nach Auffassung des Klägers habe die Beklagte die Werbeflyer in rücksichtsloser Art verteilen lassen. Die Bewohner des Hauses, die schon keine Werbung erhalten möchten, legten erst recht keinen Wert auf wild abgelegte oder befestigte Reklame. Hierdurch erhöhe sich der Lästig­keits­faktor erheblich.

Beklagte verneint Verteilung des Werbematerials veranlasst zu haben

Die Beklagte meinte demgegenüber, sie habe die angeblich störende Art einer Verteilung von Werbematerial nicht veranlasst und auch nicht zu vertreten. Die von ihr beauftragten Verteiler seien angewiesen, Werbung nur in Briefkästen einzulegen, die keinen Hinweis enthielten, dass der Nutzer keine Werbung haben möchte. Die Beklagte verweist außerdem darauf, dass die Brief­kas­te­n­anlage der Wohnanlage für jeden Passanten zugänglich sei und daher auch unbekannte Dritte das Werbematerial dort abgelegt haben könnten.

AG bejahrt Unter­las­sungs­an­spruch

Das AG gab der Klage vollumfänglich statt. Der zuständige Richter führte in der Begründung aus: Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 823 Abs. 1, 863 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog zu. Der Kläger wurde durch die Beklagte in seinem Besitz bzw. Mitbesitz rechtswidrig gestört, es besteht Wieder­ho­lungs­gefahr und die Beklagte ist Störerin. Eine Besitzstörung ist grundsätzlich anzunehmen durch das Einwerfen von Werbe-Flyern, wenn wie hier erkennbar zu verstehen gegeben wird, dass der Einwurf von Werbung nicht erwünscht ist. Dem Wohnungs­be­sitzer steht das Recht aus § 862 BGB zu, sich gegen eine Beein­träch­tigung seiner räumlich-gegen­ständ­lichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen. Zwar wurde im vorliegenden Fall der Werbeflyer nicht in den dem Kläger zugewiesenen Briefkasten gesteckt; der Kläger wurde jedoch jedenfalls in seinem Mitbesitz an der Brief­kas­te­n­anlage und am Eingangsbereich des Mehrfa­mi­li­en­hauses gestört.

Anscheinsbeweis spricht gegen Beklagte

Die Beklagte ist mittelbare Störerin, da sie Flyer der gegen­ständ­lichen Art unstreitig auch im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum in München hat verteilen lassen. Der Einwand der Klägerin, ihre Austräger hätten die Flyer im konkreten Fall nicht verteilt, greift nicht durch. Nach den Grundsätzen des Anscheins­be­weises kann davon ausgegangen werden, dass Handzettel eines Unternehmens auch von Werbeverteilern, die für das Unternehmen tätig sind, im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen wurden. Hierbei handelt es sich um einen typischen Gesche­hens­ablauf. Die pauschale Behauptung, Dritte könnten Handzettel verteilt haben, steht der Bejahung des Anscheins­be­weises nicht entgegen. Der Beklagten ist es auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht gelungen, Tatsachen zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden (atypischen) Ablaufs ergibt. Auch der Einwand der Beklagten, sie habe die von ihr beauftragten Austräger angewiesen, Werbung nur auf erlaubte Weise zu verteilen, verfängt nicht. Die Beklagte ist gehalten, die von ihr beauftragten Verteiler eindringlich auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Organisation und Kontrolle der Werbeaktion hinzuweisen, sich über den Einsatz geeigneter Schutz­vor­keh­rungen zu vergewissern, Beanstandungen nachzugehen, schließlich gegebenenfalls dem Anliegen durch Androhung wirtschaft­licher und rechtlicher Sanktionen einen stärkeren Nachdruck zu verleihen. Zu denken ist hier etwa an eine Vertrags­stra­fen­ver­ein­barung. Zur Einleitung derartiger Maßnahmen hat die Beklagte jedenfalls nach dem vom Kläger gerügten Verstoß jedoch nichts vorgetragen.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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