18.10.2024
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Sie sehen eine Figur, die einen Mann darstellt, der mit einem Fernglas in der Hecke sitzt.

Dokument-Nr. 465

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Urteil07.01.2005Amtsgericht München123 C 3000/03
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Amtsgericht München Urteil07.01.2005

Der Betrieb einer Autostand­heizung am frühen Morgen in einem reinen Wohngebiet kann im Einzelfall zivilrechtlich verboten sein

Die Kläger sind Eigentümer einer Erdge­schoss­wohnung, die zu einer Eigen­tums­wohn­anlage in München gehört.

Die Anlage steht in einem reinen Wohngebiet. Der Beklagte wohnt in der Nachbarschaft. Seinen gewerblich genutzten LKW stellt er gewöhnlich in unmittelbarer Nähe zur Wohnung der Kläger auf einem Stellplatz ab. Der Abstand des Stellplatzes zu den Schlafräumen der Kläger beträgt ca. 10 m. In den Wintermonaten setzt der Beklagte an ca. 3 bis 4 Werktagen pro Woche in der Zeit zwischen 5.45 Uhr und 7.15 Uhr seine in den LKW eingebaute Standheizung in Betrieb. Die Standheizung ist von der Straßen­ver­kehrs­zu­las­sungs­ordnung für den Tag- und Nachtbetrieb zugelassen und entspricht sämtlichen technischen Anforderungen, die an eine Standheizung zu stellen sind.

Nach dem sich die Kläger vorgerichtlich beschwert hatten, dass sie aufgrund des Betrie­bs­ge­räusches der Standheizung in den frühen Morgenstunden kein Auge mehr zu machen können, ließ der Kläger zunächst die Standheizung vom TÜV und der DEKRA auf unzulässige Geräu­schim­mis­sionen prüfen. Die Gutachter bescheinigtem ihm keine Fehlfunktionen der Heizung; die von der Heizung ausgehenden Geräusche seien vollständig im Normbereich. Trotzdem hat der Beklagte vorgerichtlich zusätzliche Schalldämpfer einbauen lassen. Dies führte jedoch nicht zu einem ruhigen Schlaf der Kläger. Vielmehr wiesen sie den Beklagten daraufhin, dass sie nach wie vor ärztlich attestierte Schlafstörungen hätten; die Klägerin habe, seitdem der Beklagte im Oktober 2002 den Betrieb der Standheizung aufgenommen habe, ca. 10 kg an Gewicht verloren. Der Beklagte, der weder die Schlafstörungen als solche, noch die Ursächlichkeit seiner Standheizung hierfür bestritt, sah jedoch keinen Anlass, den Klägern weiter entgegen zu kommen. Insbesondere lehnte er es ab, die Standheizung morgens überhaupt nicht mehr zu betreiben. So kam der Fall vor das Amts-gericht München.

Der zuständige Richter verurteilte den Beklagten, es zu unterlassen, in der Zeit zwischen 5.45 Uhr und 7.00 Uhr im Umkreis von 30 m zur Wohnung der Kläger die Standheizung zu betreiben, soweit diese einen Geräuschpegel an den Fenstern der Klägern von mehr als 35 dB (A) verursache. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 5.000 EURO angedroht.

Der Richter erholte zunächst ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten, um die tatsächlich erreichten Geräuschpegel in den Schlafräumen der Kläger feststellen zu lassen. Der Sachverständige maß an den Fenster der Kläger eintreffende Geräu­schim­mis­sionen zwischen 43 und 48 dB (A).

Der Richter befand, dass auch unter Berück­sich­tigung der berechtigen Interessen des Beklagten dieser Lärm für die Kläger nicht mehr zumutbar sei und daher für die Nachtstunden ein Anspruch auf Unterlassung des Betriebs bestehe. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Standheizung modernster Technik sowie Lärmschutz­vor­schriften in der Straßen­ver­kehrs­zu­las­sungs­ordnung entspreche. Maßgeblich für die Beurteilung einer "wesentlichen Beein­träch­tigung" im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches sei vielmehr nicht nur ein technischer Wert einer Vorschrift, sondern die Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls. Insbesondere sei hier zu berücksichtigen, dass die Kläger in einem reinen Wohngebiet wohnen und die Lärmentwicklung unstreitig zu massiven Schlafstörungen bei den Klägern führte. Dass die erzielten Werte auch tatsächlich Gesund­heits­schäden hervor rufen können, habe der Sachverständige bestätigt. Dem gegenüber müsse das Interesse des Beklagte an einem warmen Auto zurücktreten. Das Gericht sah als zulässigen Obergrenzwert, der von den Klägern noch toleriert werden müsse, 35 dB (A) an. Dieser Grenzwert sei allgemein für Geräu­schim­mis­sionen im Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­gesetz für reine Wohngebiete festgelegt worden. Dass der Gesetzgeber dem Lärmschutz in reinen Wohngebieten einen hohen Stellenwert einräume, ergebe sich auch aus anderen Vorschriften des Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ge­setzes. Danach dürften in reinen Wohngebieten bestimmte lärmintensive Geräte und Maschinen an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie an Werktagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr morgens überhaupt nicht betrieben werden. Ähnliches gelte für Regelungen über die zeitliche Beschränkung ruhestörender Haus- und Gartenarbeiten und über die Benutzung von Musik­in­stru­menten, die die Landes­hauptstadt München im Jahr 2003 aufgestellt habe. Im übrigen könne der Beklagte die nun nachgewiesene starke Lärmbelästigung durch die Standheizung ohne großen Aufwand verhindern, in dem er sein Fahrzeug in einer Entfernung von mindestens 30 m von der Wohnung der Kläger abstellt. Dies sei im zumutbar.

Einen weitergehenden Schmer­zens­geldan­spruch über 1.000 EURO, den die Kläger neben dem Unter­las­sungs­an­spruch bei Gericht geltend gemacht hatten, wies das Amtsgericht jedoch ab: Hierfür fehle es an dem Bewusstsein der Rechts­wid­rigkeit bei dem Beklagten, jedenfalls aber an seinem Verschulden. Der Beklagte habe ein technisches Gerät benutzt, das sämtliche öffent­lich­rechtliche Zulassungen und Prüfbe­schei­nigung besitze. Darüber hinaus habe er noch einen zusätzlichen Schalldämpfer einbauen lassen. Eindeutige Vorschriften über die zeitliche Benut­zungs­ein­schrän­kungen für Standheizungen bestünden bis heute nicht. Der Beklagte habe sich daher berechtigt halten dürfen, die Standheizung uneingeschränkt zu nutzen.

Der Beklagte nahm dieses Urteil hin. Es ist damit rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 18.04.2005

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