21.11.2024
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Amtsgericht Bad Hersfeld Beschluss15.05.2017

Kindesmutter muss schriftliche Ein­verständnis­erklärung aller Kontakte im Smartphone ihres Sohnes bezüglich der Weitergabe ihrer Kontaktdaten an WhatsApp einholenUngenehmigte Weitergabe der Daten durch Nutzung von WhatsApp stellt Rechts­ver­letzung dar

Wer WhatsApp nutzt und damit die Weitergabe der im Smartphone einge­spei­cherten Kontaktdaten an WhatsApp zulässt, ohne dazu das Einverständnis all der einge­spei­cherten Kontakte einzuholen, verletzt das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung und gegebenenfalls den Datenschutz. Einer Kindesmutter kann daher auferlegt werden, von allen Kontakten im Smartphone ihres minderjährigen Sohnes das schriftliche Einverständnis einzuholen, den Namen, wenn ja - in welcher Form - einspeichern und die Daten durch die Nutzung von WhatsApp an das Unternehmen weitergeben zu dürfen. Dies hat das Amtsgericht Bad Hersfeld entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall bestand zwischen den geschiedenen Eltern eines 11-jährigen Jungen Streit über die Nutzung seines Smartphones. Der Junge lebte bei seiner Mutter und hatte von ihr zu seinem 11. Geburtstag das Smartphone geschenkt bekommen. Zwischen den Eltern kam es insbesondere aufgrund der Nutzung von WhatsApp zu Unstimmigkeiten. Das Amtsgericht Bad-Hersfeld sah sich daher veranlasst eine Regelung zu treffen.

Einholen von Zustim­mungs­er­klä­rungen aller Kontakte

Das Amtsgericht Bad Hersfeld verpflichtete die Kindesmutter, von allen Personen, welche aktuell im Adressbuch des Smartphones ihres Sohnes gespeichert sind, Zustim­mungs­er­klä­rungen dahingehend einzuholen, ob diese Personen damit einverstanden sind, dass der Sohn die Telefonnummer und den Namen der jeweiligen Person speichert und dass die Daten von dort durch die Nutzung von WhatsApp an den Betreiber übertragen werden. Die Zustim­mungs­er­klä­rungen seien zwecks Klarheit und Rechts­si­cherheit schriftlich einzuholen.

Gefährdung des Vermögens des Kindes durch Nutzung von WhatsApp

Nach Ansicht des Amtsgerichts musste die Maßnahme gemäß § 1666 BGB getroffen werden, weil durch die Nutzung von WhatsApp eine Gefahr für das Vermögen des Sohnes bestehe. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass das Kind wegen seines rechtswidrigen Verhaltens durch andere Personen abgemahnt, zur Unterlassung aufgefordert und auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen werde.

Rechts­ver­letzung aufgrund unbefugter Weitergabe der Kontaktdaten an WhatsApp

Das rechtswidrige Verhalten sei darin zu sehen, so das Amtsgericht, dass der Sohn als Nutzer der App fortlaufend Datensätze von anderen Personen an den Betreiber der App weiterleite, ohne dazu befugt zu sein. Ein Nutzer von WhatsApp stelle dem Betreiber für unscharf beschriebene Zwecke kontinuierlich die Telefonnummern und die Namen sämtlicher im Smartphone gespeicherten Kontakte zur Verfügung. Dies verletze zumindest das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung alle davon betroffenen Personen. Im Falle einer geschäftlichen Nutzung der App liege sogar ein Verstoß gegen den Datenschutz vor.

Kein Vorliegen einer grundsätzlichen Einwilligung in Datenweitergabe

Das Amtsgericht vertrat die Auffassung, dass die Datenweitergabe in jedem Einzelfall der vorherigen Zustimmung der betroffenen Person bedürfe. Dabei sei nicht davon auszugehen, dass allein in der Nutzung von WhatsApp durch die betroffene Person eine konkludente Einwilligung in die Datenweitergabe vorliege. Das Gericht begründete dies damit, dass bei vielen Nutzern der App kein hinreichendes Verständnis über den Umfang der Datenweitergabe bestehe bzw. ein Großteil der Nutzer die Nutzungs­be­din­gungen gar nicht reell zur Kenntnis nehmen. Fehlt es daher an dem Verständnis über die Nutzungsfolgen, könne keine wirksame Einwilligung vorliegen.

Quelle: Amtsgericht Bad-Hersfeld, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

1. Überlassen Eltern ihrem minderjährigen Kind ein digitales 'smartes' Gerät (z.B. Smartphone) zur dauernden eigenen Nutzung, so stehen sie in der Pflicht, die Nutzung dieses Geräts durch das Kind bis zu dessen Volljährigkeit ordentlich zu begleiten und zu beaufsichtigen.

2. Verfügen die Eltern selbst bislang nicht über hinreichende Kenntnisse von 'smarter' Technik und über die Welt der digitalen Medien, so haben sie sich die erforderlichen Kenntnisse unmittelbar und kontinuierlich anzueignen, um ihre Pflicht zur Begleitung und Aufsicht durchgehend ordentlich erfüllen zu können.

3. Es bestehen keine vernünftigen Gründe, einem Kind ein Smartphone auch noch während der vorgesehenen Schlafenszeit zu überlassen.

4. Zur Notwendigkeit einer Eltern-Kind-Medien-Nutzungs­ver­ein­barung bei erheblichem Fehlverhalten in der Medien-Nutzung durch das Kind als auch durch ein Elternteil sowie aufkommender Medien-Sucht-Gefahr

5. Wer den Messenger-Dienst "WhatsApp" nutzt, übermittelt nach den technischen Vorgaben des Dienstes fortlaufend Daten in Klardaten-Form von allen in dem eigenen Smartphone-Adressbuch eingetragenen Kontaktpersonen an das hinter dem Dienst stehende Unternehmen.

Wer durch seine Nutzung von "WhatsApp" diese andauernde Datenweitergabe zulässt, ohne zuvor von seinen Kontaktpersonen aus dem eigenen Telefon-Adressbuch hierfür jeweils eine Erlaubnis eingeholt zu haben, begeht gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung und begibt sich in die Gefahr, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt zu werden.

6. Nutzen Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren den Messenger-Dienst "WhatsApp", trifft die Eltern als Sorge­be­rechtigte die Pflicht, ihr Kind auch im Hinblick auf diese Gefahr bei der Nutzung des Messenger-Dienstes aufzuklären und die erforderlichen Schutzmaßnahmen im Sinne ihres Kindes zu treffen.

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