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Dokument-Nr. 3452

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Verwaltungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil23.10.2006

'Tag der offenen Tür 2005' in rheinland-pfälzischer Staatskanzlei keine unzulässige Öffent­lich­keits­arbeitVGH präzisiert verfas­sungs­rechtliche Grenzen

Die Durchführung des „Tags der offenen Tür“ in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei am 10. September 2005 hat nicht gegen Prinzipien der Landes­ver­fassung zur Zulässigkeit staatlicher Öffent­lich­keits­arbeit verstoßen. Die Veranstaltung bedeutete trotz ihrer Nähe zur Bundestagswahl vom 18. September 2005 auch keine unzulässige Wahl- bzw. Parteienwerbung. Dies stellte der Verfas­sungs­ge­richtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz fest.

Am 10. September 2005, also acht Tage vor der Bundestagswahl vom 18. September 2005, fand in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz in Mainz ein „Tag der offenen Tür“ statt, zu dem der Minis­ter­prä­sident in einem Faltblatt und auf der Homepage des Landes Rheinland-Pfalz einlud. Neben neun Infor­ma­ti­o­ns­s­tänden zu verschiedenen Sachthemen (u.a. Orden und Ehrenzeichen, Ehrenamt, WM-Büro, Multi-Media-Initiative, Grenz­über­schreitende Zusammenarbeit und Außen­be­zie­hungen, Landes­be­auf­tragte für Ausländerfragen, Bürgerbüro) fanden unter anderem musikalische Unterhaltung, ein Bühnen-Liveprogramm mit Radio RPR1, Lesungen, Hausführungen mit Erinnerungsfoto am Schreibtisch des Minis­ter­prä­si­denten und ein Kinderprogramm statt. Die Gesamtausgaben für die Veranstaltung beliefen sich nach Angaben der Landesregierung auf ca. 42.500,-- €.

Die CDU-Landtags­fraktion hat beim Verfas­sungs­ge­richtshof Rheinland-Pfalz die Feststellung beantragt, der Minis­ter­prä­sident habe mit der Durchführung des „Tags der offenen Tür“ im unmittelbaren Vorfeld der Bundestagswahl gegen das landes­ver­fas­sungs­rechtliche Demokra­tie­prinzip sowie gegen die Grundsätze der freien Wahl und der Chancen­gleichheit der Parteien verstoßen. Die Veranstaltung habe wahlwerbenden und rein unterhaltenden Charakter besessen.

Der Verfas­sungs­ge­richtshof wies den Antrag zurück. Vor dem Hintergrund mehrerer auch bundesweit bislang ungeklärter Fragestellungen gab das Verfahren aber Veranlassung, die verfas­sungs­recht­lichen Grenzen staatlicher Öffent­lich­keits­arbeit zu präzisieren. Danach sei Öffent­lich­keits­arbeit der Landesregierung grundsätzlich zulässig und notwendig. Allerdings müsse sie sich innerhalb des von der Landes­ver­fassung der Regierung zugewiesenen Aufgaben- und Zustän­dig­keits­be­reichs halten, dürfe das Gebot der partei­po­li­tischen Neutralität nicht verletzen und könne in Vorwahlzeiten noch weitergehender Zurückhaltung unterliegen. Der „Tag der offenen Tür 2005“ habe diese Grenzen bei einer Gesamt­be­trachtung seines informativen Gehalts und der ihn mitprägenden Unter­hal­tungs­elemente noch nicht überschritten.

Die Stellung des Minis­ter­prä­si­denten als ranghöchster Repräsentant des Landes und herausgehobenes Verfas­sungsorgan eröffne der ihm zugeordneten Staatskanzlei für regie­rung­s­amtliche Öffent­lich­keits­arbeit einen spezifischen Handlungsraum. Aufgrund ihres Zustän­dig­keits­be­reichs sei sie berechtigt, die Aufgaben, Verant­wort­lich­keiten und Handlungs­a­bläufe der Landesregierung transparent zu machen sowie deren Politik darzulegen. Dabei zähle ein „Tag der offenen Tür“ zu den nach heutigen Maßstäben üblichen Mitteln der Amtsre­prä­sen­tation und Öffent­lich­keits­arbeit. Solche Veranstaltungen stellten ein erprobtes Mittel dar, die Distanz zwischen Bürger und Staat zu verringern.

Allerdings müsse auch ein „Tag der offenen Tür“ in erster Linie der sachlichen Information dienen. Damit ließe sich eine Veranstaltung nicht vereinbaren, deren Unter­hal­tungs­ele­menten mehr als nur dienender Charakter zukäme. Eine unterhaltende Aufmachung der Öffent­lich­keits­arbeit („kommunikative Verpackung“), die Aufmerksamkeit wecke und sich an den unter­schied­lichen Wahrneh­mungs­mustern der Menschen orientiere, werde dadurch nicht ausgeschlossen. Dies gelte insbesondere, wenn Teilnehmer einer Veranstaltung erst zum Besuch motiviert werden müssten. Zwar habe der „Tag der offenen Tür 2005“ starke Unter­hal­tungs­elemente aufgewiesen. Bei einer Gesamt­be­trachtung der Veranstaltung bleibe jedoch der dienende Charakter der Unterhaltung erkennbar und im Verhältnis zur sachlichen Information noch ausgewogen.

Darüber hinaus habe der Minis­ter­prä­sident mit dem „Tag der offenen Tür 2005“ das Gebot der partei­po­li­tischen Neutralität nicht verletzt. Eindeutig partei­er­greifende Aussagen zu Lasten der Opposition oder zu Gunsten der die Landesregierung tragenden Parteien seien nicht getroffen worden.

Auch habe der „Tag der offenen Tür 2005“ nicht partei­er­greifend in den Bundes­tags­wahlkampf 2005 hineingewirkt. Zwar unterliege die Öffent­lich­keits­arbeit der Landesregierung in Vorwahlzeiten grundsätzlich dem Gebot äußerster Zurückhaltung. Da die Wähler bei Wahlen zum Bundestag jedoch im Allgemeinen kein Votum zur Politik der Landesregierung abgäben, bleibe deren Öffent­lich­keits­arbeit auch im Vorfeld einer Bundestagswahl - mit Blick auf die Eigen­stän­digkeit der Verfas­sungsräume von Bund und Ländern - zulässig. Etwas anderes gelte allerdings, wenn parteibezogene Sympa­thie­effekte für die Bundestagswahl nicht nur Nebenwirkung, sondern geradezu Ziel der Öffent­lich­keits­arbeit auf Landesebene seien. Dies könne für den „Tag der offenen Tür 2005“ jedoch nicht festgestellt werden.

So sei die Terminierung der Veranstaltung auf den 10. September 2005 ausweislich der beigezogenen Verwal­tungs­vorgänge der Staatskanzlei unabhängig von der Fest­setzung des Termins der Bundestagswahl am 18. September 2005 erfolgt. Bereits im Oktober 2004 habe der Sprecher der Landesregierung für den „Tag der offenen Tür“ einen Samstag im September 2005 im Anschluss an die Sommerferien vorgeschlagen. Daraufhin habe das Büro des Minis­ter­prä­si­denten in einem Vermerk vom 21. Dezember 2004 den 10. September 2005 als Veran­stal­tungs­termin benannt. Endgültig festgelegt worden sei der Termin dann im Juni 2005. Zu diesem Zeitpunkt habe eine konkrete Bestimmung des Tags der Bundestagswahl durch den Bundes­prä­si­denten noch ausgestanden.

Ebenso seien für die Person des Minis­ter­prä­si­denten etwa bewirkte mittelbare Sympa­thie­effekte durch den „Tag der offenen Tür 2005“ im unmittelbaren Vorfeld der Bundestagswahl verfas­sungs­rechtlich unbedenklich. Er habe im September 2005 weder als Wahlkreis­be­werber noch auf der Landesliste seiner Partei zur Bundestagswahl kandidiert. Es bestünden auch im Übrigen keine hinreichenden Anhaltspunkte, der wesentliche Zweck der Veranstaltung habe auf eine Werbewirkung für die Bundestagswahl abgezielt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 12/06 des VGH Rheinland-Pfalz vom 27.11.2006

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