14.11.2024
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Dokument-Nr. 961

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Urteil01.06.2005Landgericht München I21 O 8437/05
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Landgericht München I Urteil01.06.2005

Alles nur geklaut?Bis zu welcher Grenze darf sich eine Stimmungs-Band bei ihren Auftritten an das erfolgreiche Programm einer anderen Festzeltband anlehnen?

Diese Frage hatte die für Urheber­recht­schutz zuständige Zivilkammer des Landgerichts München I zu entscheiden, nachdem gegen eine von ihr erlassene einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt wurde.

Der Antragsteller, Leader einer im Bierzeltbereich erfolgreichen Partyband, hatte die einstweilige Verfügung mit dem Argument erwirkt, er habe eigene Arrangements geschrieben, die jeweils eine Reihe bekannter Stimmungshits zu Medleys verknüpfen. Diese würde nun der Antragsgegner mit seiner Band nahezu identisch nachspielen, dies sei jedoch ein klarer Fall einer Urheber­rechts­ver­letzung, denn seine Arrangements seien eigenständige Schöpfungen und damit als Tonkunst schutzfähig.

Er ließ die einstweilige Verfügung noch am selben Abend dem Antragsgegner zustellen - vom zuständigen Gerichts­voll­zieher im Fips-Weißbierzelt auf dem Frühlingsfest in Deggendorf, pünktlich um 20.00 Uhr zu Spielbeginn der Band des Antragsgegners.

Dieser änderte nicht etwa sein Repertoire kurzfristig ab. Vielmehr spielte er nach Angaben des Antragstellers fünf der acht untersagten Medleys von den Abläufen her in gleicher oder sehr ähnlicher Form wie die Band des Antragstellers und zudem wieder unter Verwendung der gleichen Showelemente. Prompt stellte der Antragsteller daraufhin beim Landgericht München I den Antrag, wegen Nichtbeachtung der gerichtlichen Verfügung ein empfindliches Ordnungsgeld gegen den Antragsgegner zu verhängen.

In der auf den Widerspruch anberaumten mündlichen Verhandlung war aber zunächst zu klären, ob die Verfügung überhaupt aufrecht zu erhalten war. Denn der Antragsgegner hat eingewandt, dass er gar nicht die vom Antragsteller gesetzten Arrangements gespielt, sondern lediglich die gleichen Songs - wie hundert andere Coverbands auch - möglichst nahe am Original nachgespielt hat. Noten würde er gar nicht verwenden, also auch nicht die Sätze des Antragstellers. Seine Band spiele die Stücke vielmehr nach Gehör. Einstudiert habe jeder Musiker mit CDs, auf denen der Antragsgegner die gekürzten Originalstücke zusam­men­ge­schnitten habe.

Auch für die Übereinstimmung der Liederabläufe und der verwendeten Showeinlagen hatte er eine Erklärung. Er selbst hatte jahrelang in der Band des Antragstellers als Saxofonist und Frontmann mitgewirkt. Dabei will er die Show nach und nach entwickelt und selbst die Zusam­men­stellung der Songs vorgeschlagen haben. Die von ihm auf Kassetten zusam­men­ge­schnittenen Origi­na­l­auf­nahmen soll dann der Antragsteller verwendet haben, um die einzelnen Stimmen herunterzuhören und die Noten für seine Musiker zu schreiben.

Für das Urteil kam es dann aber auf die Frage, auf wen die Liederwahl zurückging, nicht mehr an. Denn der Einzelrichter, der selbst etwa 20 Jahre Erfahrung als Saxofonist und Sänger in einer Münchner Big Band hat, die auch über ein umfangreiches Party-Repertoir mit Coversongs verfügt, konnte in den vom Antragsteller exemplarisch vorgelegten Arrangements "99 Luftballons" und "König von Deutschland" keine eigen­schöp­fe­rischen Satzelemente entdecken, die wesentlich über die bloße Leistung des Heraushörens der Stimmen hinausgegangen wären. Auch konnte der Antragsteller keine Ausarbeitung individueller Einleitungs- und Überlei­tungs­passagen aufzeigen, die aus der bloßen Abfolge gekürzt hintereinander gespielter Songs eingenständige und damit schutzfähige Werke gemacht hätten. Er hob die einstweilige Verfügung daher auf, denn: "Das Recht anderer, bekannte Lieder - mit Einwilligung der in der GEMA organisierten Originalurheber - nachzuspielen, würde zu sehr eingeschränkt, wenn bereits die Anein­an­der­reihung lediglich gekürzter, im übrigen aber unbearbeiteter Songs in einer bestimmten Reihenfolge zu einer Schutzfähigkeit als Medley führen würde."

Auch den Vortrag zur angeblichen Nachahmung des Showprogramms beurteilte der Einzelrichter als nicht ausreichend für einen Schutz als "Bühnenwerk": "Die Darstellung müsste darüber hinaus, um schutzfähig sein zu können, auch subjektiv neu und eigentümlich sein, sich also als individuelle Schöpfung der Künstler darstellen. Hierzu fehlt jeder Vortrag. Angesichts des letztlich begrenzten und von tausend anderen Partybands bereits in der einen oder anderen Form vorweg­ge­nommenen Repertoirs von Showbe­stand­teilen, die sich zur Erzeugung von Stimmung beim Auftritt einer Coverband eignen, ist auch nur schwer vorstellbar, dass der Antragsteller eigentümliche neue Stilmittel gefunden und nicht nur alte und vorbekannte Elemente kombiniert hat."

Mit Aufhebung der einstweiligen Verfügung bestand auch keine Grundlage mehr für Ordnungsmittel gegen den unbotmäßigen Antragsgegner. Der Ordnungs­geldantrag wurde abgewiesen.

Quelle: Pressemitteilung des LG München I vom 31.08.2005

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