21.11.2024
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Dokument-Nr. 141

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Entscheidung19.01.2005Landgericht München I21 O 312/05
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GRUR-RR 2006, 7Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (GRUR-RR), Jahrgang: 2006, Seite: 7
  • NJW 2006, 627Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2006, Seite: 627
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Landgericht München I Entscheidung19.01.2005

Alles Zufall? Karl Valentins Werke vor Gericht

Die Überlegungen, die Karl Valentin in der Radfahrerszene seines Schauspiels "Theater in der Vorstadt" (auch als "Tingeltangel" oder "Die Orchesterprobe" bekannt) sowie in dem Sketch "Der überängstliche Hausverkäufer" über den Zufall angestellt hat, haben knapp 56 Jahre nach dem Tod des großen Münchner Komikers nun das Landgericht München I beschäftigt.

Ein Professor der LMU München hatte die beiden jeweils ca. 2-seitigen Textpassagen ungekürzt in das Skript seiner Vorlesung "Einführung in die Stochastik" aufgenommen, um seinen Studenten den Begriff des Zufalls anschaulich zu machen. Das Skript stellte er den Studenten in gedruckter Form zur Verfügung und veröffentlichte es auch sukzessive im Internet.

Dies erfuhr im Dezember 2004 der Verwalter des urheber­recht­lichen Nachlasses von Karl Valentin und beantragte Anfang Januar 2005, beide Nutzungen per einstweiliger Verfügung verbieten zu lassen. Da die für Urheber­rechts­ver­let­zungen zuständige 21. Zivilkammer des Landgerichts der Meinung war, dass die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Forschung und Lehre auch sehr weitgehende und ausführliche Zitate, wie sie der Abdruck ganzer Szenen im vorliegenden Fall darstellt, deckt, erließ sie die Verfügung nicht, sondern ordnete zunächst für den 19. Januar 2005 die mündliche Verhandlung über den Verfü­gungs­antrag an.

Nachdem es in der Sitzung zunächst zu einer angeregten Diskussion über das Wesen des Zufalls gekommen war, die -– ganz im Sinne von Karl Valentin - gezeigt hatte, wie subjektiv die Vorstellungen sind, was hierunter zu verstehen ist, riet die Kammer den Parteien zu einer vergleichs­weisen Einigung: Die als Verfü­gungs­klägerin auftretende Enkelin von Karl Valentin sollte die Nutzung der Werke im gedruckten Vorle­sungs­skript genehmigen und der beklagte Professor sich dafür verbindlich verpflichten, auf eine weitere Nutzung im Internet zu verzichten. Hierzu waren die Parteien schließlich auch bereit. Ein Vergleich scheiterte dennoch an der Frage, ob die Kosten im Verhältnis 1 : 2 oder 1 : 1 aufgeteilt werden sollten.

Dies gab der 21. Zivilkammer die Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Entscheidung über den Widerstreit des Eigen­tums­grund­rechts und der ebenfalls grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre. Sie kam zu dem Ergebnis, dass auch längere Zitate geschützter Werke vom Inhaber des Urheberrechts hinzunehmen sind, wenn diese dazu dienen, Studenten den Vorlesungsstoff in plastischer Weise anschaulich zu machen. Dass die Werke Karl Valentins hierzu geeignet sind, hat nicht zuletzt die Diskussion in der mündlichen Verhandlung gezeigt. Eine Veröf­fent­lichung ganzer Werke im Internet als Zitate in einem Vorle­sungs­skript untersagte die Kammer jedoch, wenn nicht durch technische Maßnahmen sichergestellt ist, dass entweder der Zugang oder die Möglichkeiten des ausschnitts­weisen Kopierens aus dem Skript beschränkt sind.

Quelle: ra-online, LG München I (pm)

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