15.11.2024
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Dokument-Nr. 2024

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Urteil13.08.1999Landgericht Frankfurt am Main3/7 O 39/99
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil13.08.1999

Zahlung für Heilbehandlung nur bei Erfolg?

Die Werbung für eine ambulante Rehabilitation bei Rückenschmerzen mit dem Zusatz "Zahlen nur bei Erfolg!" ist wettbe­wer­bs­widrig. Das Landgerichts Frankfurt am Main hat die entsprechende Werbung untersagt.

Der Verfü­gungs­kläger ist als staatlich geprüfter Masseur und Heilpraktiker tätig. Der Verfü­gungs­be­klagte betreibt unter der Bezeichnung ,,Gesundheits- und Trainings­in­stitut für Rehabilitation und Prävention" eine Praxis für physikalische Therapie, wozu Massagen zählen.

Im März und April schaltete der Verfü­gungs­be­klagte in Tageszeitungen eine auf seinen Geschäfts­betrieb hinweisende Anzeige unter der Überschrift "Ambulante Rehabilitation und Prävention" folgt im Fettdruck das Wort "Rückenschmerzen". Im anschließenden Fließtext werden Erkrankungen und Verletzungen aufgezählt, für deren Behandlung der Verfü­gungs­be­klagte eine Therapie anbietet. Darunter ist wiederum im Fettdruck abgesetzt "Zahlen nur bei Erfolg!"

Das Gericht hat dem Verfü­gungs­be­klagten durch einstweilige Verfügung vom 7.5.1999 sinngemäß zusammengefasst die Werbung untersagt,

1. wonach die Behandlung der aufgezählten Erkrankungen und Verletzungen nur im Erfolgsfall zu vergüten sei; und/oder

2. dass der Patient nur bei deutlichen Verbesserungen (mindestens 50 % bzw. 75 %) proportional dazu zahlen müsse; Im Urteil heißt es sinngemäß:

Der Werbeslogan ,,Zahlen nur bei Erfolg!" verstößt gegen das Verbot der Irreführung. Eine irreführende Werbung liegt vor, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, daß auf dem Gebiet des Heilwesens ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann. Eine erhebliche Irrefüh­rungs­gefahr in diesem Sinne liegt vor, wenn ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise getäuscht werden kann; das sind für den Bereich der Gesund­heits­werbung 5 bis 6 %. Das führt hier dazu, dass - ohne Überspannung des Verbrau­cher­schutzes - von einer erheblichen Irrefüh­rungs­gefahr auszugehen ist.

Die Aussage ist durch den Fettdruck nicht nur drucktechnisch hervorgehoben, sondern hat bei der Gesamt­be­trachtung der Anzeige blickfangmäßige Wirkung. Der Blickfang, der eine bestimmte Stelle der Ankündigung zur ausschlag­ge­benden macht, muss als solcher wahr sein, wenn vom Leser nicht erwartet werden kann, dass er auch den übrigen Inhalt einer Ankündigung zum Verständnis heranzieht. Der beanstandete Slogan ist nicht uneingeschränkt wahr, und eine ,,heilende" Klarstellung ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Anzeigentext.

Die Werbeaussage trifft nur für diejenigen Patienten zu, für welche die Vorprüfung ergibt, dass die beabsichtigte Behandlung einen Erfolg mit sehr großer Wahrschein­lichkeit erwarten läßt. Soweit dann ein Werkvertrag zustande kommt, bei dem die Vergütung erst dann fällig wird, wenn der vertraglich geschuldete Erfolg eintritt, ist die Werbeaussage wahr. Hinsichtlich des übrigen Teils der Patienten, denen der Verfü­gungs­be­klagte nach der Vorprüfung keinen Heilerfolg in Aussicht stellen kann ist die Anzeige jedoch irreführend. Jene Interessenten sind auf Grund der Anzeige in die Praxis des Verfü­gungs­be­klagten "gelockt" worden, und werden - wohl eher selten - enttäuscht wieder gehen oder aber die Behandlung des Verfü­gungs­be­klagten nunmehr zu den üblichen Zahlungs­be­din­gungen in Anspruch nehmen. Insoweit verschafft sich der Verfü­gungs­be­klagte einen ungerecht­fer­tigten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern. Denn aus der Werbeanzeige geht das geschilderte Prüfverfahren nicht hervor. Würde es offengelegt, so ist davon auszugehen, dass sich möglicherweise ein Teil von Interessenten bei dem Verfü­gungs­be­klagten nicht melden würde.

Es wird der irreführende Eindruck erweckt, als ob für die aufgezählten Erkrankungen und Verletzungen eine erfolgreiche Heilbehandlung möglich sei. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird durch die Nennung des Phänomens "Rückenschmerzen" erregt, das bei einer Vielzahl von Erwachsenen anzutreffen ist. Dann werden Personen mit anderen Erkrankungen oder Verletzungen des Bewegungs­ap­parates angesprochen. Die Verbindung zwischen dem Aufhänger "Schmerzen" und dem in Aussicht gestellten Erfolg wird durch die Verwendung der Frageform hergestellt. Dem Leser wird als Antwort suggeriert, daß der Verfü­gungs­be­klagte durch seine Behandlung die Schmerzfreiheit als Erfolg garantieren könne, weil er nur für diesen Fall eine Vergütung beanspruchen werde. Das wiederum erweckt den Eindruck, dass der Erfolg mit Sicherheit zu erwarten sei, weil der Verfü­gungs­be­klagte als Betreiber einer therapeutischen Einrichtung auf Dauer zumindest kostendeckend arbeiten muß und sich ständige Mißerfolge kaum leisten kann. Dadurch erhält der Werbeslogan den Gehalt einer Garantiezusage.

Der irreführende Eindruck wird durch die im Fließtext enthaltene Angabe der Erfolgsquote von 95 % nicht hinreichend wieder ausgeräumt. Auch bei nicht nur isolierter Beurteilung des Blickfangs wird der erste flüchtige Eindruck von der Erfolgsgarantie durch die folgende verbale Beschreibung der Quote "mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit" eher verstärkt, als dass er durch den nur in Klammern gesetzten Prozentsatz relativiert wird. Außerdem ist der Text durch die Verwendung erfolgs­ori­en­tierter Begriffe so abgefaßt, dass ein krank­heits­bedingt vielleicht weniger kritischer Leser unterschwellig zur Annahme einer Garantiezusage bewogen wird.

Entsprechendes gilt für die Werbung: "... nur bei deutlichen Verbesserungen (mind. 50 % bzw. 75 %) müssen Sie proportional dazu zahlen". Aus den dargelegten Gründen wird suggeriert, daß durch die Leistungen des Verfü­gungs­be­klagten jedenfalls Verbesserungen möglich und erst ab einem - objektiv messbaren - Prozentsatz eine Verpflichtung zur Vergütung, und zwar auch nur durch eine Zuzahlung zu den Leistungen des Kranken­ver­si­cherers auslösen.

Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt/Main vom 26.08.1999

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